Wandeldarlehensverträge: Beurkunden oder nicht?
16. Oktober 2025
Inhalt von Wandeldarlehensverträgen
Wandeldarlehensverträge (Englisch: Convertible Loan Agreements oder kurz: CLAs) werden von Startups häufig als Mittel zur Zwischenfinanzierung eingesetzt (also bevor eine Finanzierungsrunde und damit eine Bewertung der Gesellschaft stattfindet). Der Darlehensgeber gewährt der Gesellschaft ein Darlehen. Anders als bei klassischen Darlehensverträgen ist unklar, ob das Darlehen zurückbezahlt werden wird oder ob der Darlehensgeber stattdessen nicht Geschäftsanteile an der Gesellschaft im Wert des Darlehensbetrages erhält (der Darlehensbetrag also in eine Beteiligung umgewandelt wird). Wie viele Geschäftsanteile das sein werden, bestimmt sich in der Regel anhand der der nächsten Finanzierungsrunde zugrunde zulegenden Bewertung der Gesellschaft.
Wandeldarlehensverträge betreffend GmbHs sind (anders als betreffend Aktiengesellschaften, vgl. § 221 AktG) gesetzlich nicht geregelt. Es gibt bislang auch keine höchstrichterliche Entscheidung (des Bundesgerichtshofs) zu der Frage. Deshalb ist unklar, ob Wandeldarlehensverträge beurkundet oder beglaubigt werden müssen.
Bisherige überwiegende Praxis
In der juristischen Literatur gibt es einige Stimmen, die GmbH-Wandeldarlehensverträge nicht für beurkundungsbedürftig halten. In der Vergangenheit war es deshalb in der Praxis häufig so, dass auf eine Beurkundung verzichtet wurde.
Neuere Entwicklung nach Entscheidung des OLG Zweibrücken
Im Jahr 2022 hat eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken (Urteil v. 17.5.2022, Az. 8 U 30/19) dazu geführt, dass sich diese Einstellung geändert hat. Seitdem werden Wandeldarlehensverträge häufig beurkundet.
In der Entscheidung ging es darum, dass ein Investor/Darlehensgeber sich auf die Unwirksamkeit des nicht beurkundeten Wandeldarlehensvertrages berufen hat. Er hat deshalb den Darlehensbetrag zur sofortigen Zahlung zurückgefordert. Das OLG Zweibrücken gab ihm recht. Damit war die betreffende GmbH insolvent. Der Geschäftsführer wurde zur Zahlung von EUR 58.398,35 nebst Zinsen verurteilt, da er nach Eintritt der Überschuldung weitere Zahlungen vorgenommen hatte.
Gründe, die für eine Beurkundungsbedürftigkeit sprechen können
"Normale" Darlehensverträge sind nicht beurkundungs- oder beglaubigungsbedürftig.
Die Beurkundungsbedürftigkeit eines Wandeldarlehensvertrages resultiert möglicherweise aus dem im Wandeldarlehensvertrag enthaltenen Wandlungsmechanismus. Denn der Darlehensgeber möchte sicher sein, dass er die Gesellschaft oder die Gesellschafter der Gesellschaft zwingen kann, anstelle der Rückzahlung des Darlehens neue Geschäftsanteile an ihn auszugeben.
Neue Geschäftsanteile an einer GmbH können nur über eine Kapitalerhöhung ausgegeben werden. Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist nach § 53 Abs. 3 GmbH beurkundungsbedürftig. Die Gesellschaft selbst kann die Kapitalerhöhung nicht beschließen. Denn das ist nach § 53 Abs. 1 GmbHG Aufgabe der Gesellschafter.
Wenn also die GmbH als Darlehensnehmerin sich im Wandeldarlehensvertrag gegenüber dem Darlehensgeber/Investor verpflichten können soll, im Wandlungsfall neue Anteile auszugeben, muss sie dazu die Erlaubnis/Ermächtigung der Gesellschafter haben. Ob dieser Ermächtigungsbeschluss wie ein Kapitalerhöhungsbeschluss der Beurkundung bedarf, wird unterschiedlich beurteilt.
Alternativ zur Ermächtigung der Gesellschaft können die Gesellschafter auch selbst Partei des Wandeldarlehensvertrages werden und sich darin gegenüber dem Darlehensgeber/Investor (im Rahmen einer sogenannten Stimmbindungsvereinbarung) verpflichten, für den Fall der Wandlung eine Kapitalerhöhung zu beschließen und damit dem Darlehensgeber/Investor die Anteile als Ausgleich für den Darlehensbetrag zu geben. Ob eine solche Stimmbindungsvereinbarung beurkundungsbedürftig ist, ist ebenfalls unklar. Auch insoweit gibt es Stimmen dafür und dagegen.
Schließlich kann sich eine Beurkundungsbedürftigkeit auch dadurch ergeben, dass der Darlehensgeber sich verpflichtet, im Wandlungsfall einer Gesellschaftervereinbarung (Shareholders‘ Agreement) beizutreten, die Abtretungspflichten (Drag-Along/Tag-Along) enthält.
Risiken bei Nichtbeurkundung
Solange der Bundesgerichtshof (BGH) keine Grundsatzentscheidung zu der Frage trifft und der Gesetzgeber die Frage nicht gesetzlich regelt, werden die beschriebenen Unsicherheiten fortbestehen. Es verbleibt also bei Nichtbeurkundung das Risiko, dass ein Gericht (wie zuletzt das OLG Zweibrücken) den nicht beurkundeten Wandeldarlehensvertrag für unwirksam befindet.
Für die Gesellschaft besteht das Risiko, dass der Darlehensgeber/Investor sich nach einem etwaigen Sinneswandel auf die Formunwirksamkeit des Wandeldarlehensvertrages beruft und den Darlehensbetrag mit sofortiger Wirkung zurückfordert. Gerade für Startups kann das schnell zur Folge haben, dass sie dadurch in die Zahlungsunfähigkeit/und oder Überschuldung rutschen. Für die Geschäftsführer stehen dann schnell auch Haftungsfragen (mit dem Privatvermögen) oder sogar Strafbarkeitsvorwürfe wegen Insolvenzstraftaten im Raum.
Für den Darlehensgeber/Investor besteht das Risiko, dass er die Ausgabe der Anteile nicht erzwingen und lediglich den Darlehensbetrag zurückfordern kann. Das Investment mittels Wandeldarlehn erfolgt aber in der Regel, um zu einer günstigen Bewertung (Stichwort Discount) eine Beteiligung an einem erfolgversprechenden Startup zu erhalten.
Zusammengefasst:
Ob GmbH-Wandeldarlehensverträge beurkundungsbedürftig sind, ist weder gesetzlich geregelt noch durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Die letzte obergerichtliche Entscheidung zu dieser Frage tendierte zur Annahme einer Beurkundungsbedürftigkeit.
Gerne erläutern wir nähere Einzelheiten in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall persönlich, wie etwa auch die Frage, welche Formanforderungen Vollmachten zum Abschluss von Wandeldarlehensverträgen erfüllen müssen.
Q&A
Was ist ein Wandeldarlehensvertrag?
Wandeldarlehensverträge sind Darlehensverträge, die die Besonderheit aufweisen, dass dem Darlehensgeber alternativ zur Rückzahlung des Darlehensvertrages eine Beteiligung an der das Darlehen erhaltenden Gesellschaft gewährt wird.
Wozu werden Wandeldarlehensverträge verwendet?
Wandeldarlehensverträge werden häufig als Instrumente zur Zwischenfinanzierung eingesetzt, also vor dem Abschluss einer Finanzierungsrunde.
Sind Wandeldarlehensverträge beurkundungsbedürftig?
Es ist umstritten und bislang weder gesetzlich noch durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, ob Wandeldarlehensverträge zu beurkunden sind.
Muss ein Wandeldarlehensvertrag auf Deutsch beurkundet werden?
Nein. Ein Wandeldarlehensvertrag kann als sog. Convertible Loan Agreement auch auf Englisch oder in einer anderen Sprache, die der Notar spricht, beurkundet werden.
Sind sog. SAFE Notes eine nicht beurkundungsbedürftige Alternative?
Nein. Aus dem amerikanischen Recht bekannte SAFEs (Simple Agreement for Future Equity) sind nach deutschem Recht unter Formgesichtspunkten wie Wandeldarlehensverträge zu behandeln.
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